Eine Frage der Gerechtigkeit

Verwirklichungschancen chronisch psychisch kranker Menschen. Eine qualitative Studie aus gerechtigkeitstheoretischer Perspektive

Psychische Erkrankungen zeitigen Auswirkungen in vielerlei Lebensbereichen der Betroffenen. In der vorliegenden Arbeit wird die Situation von chronisch psychisch kranken Menschen aus einer Gerechtigkeitsperspektive betrachtet. Als theoretische Rahmung dient der Capability Approach nach Martha Nussbaum. Dieser geht davon aus, dass jeder Mensch gleichermassen das Recht auf ein „gutes Leben“ hat. Soziale Gerechtigkeit wird daran bemessen, welche Bedingungen, Handlungsspielräume und Fähigkeiten Menschen zu ihrer Verfügung haben, um sich frei für ein gutes Leben und Handeln zu entscheiden. Martha Nussbaum hat eine universelle Liste von Central Human Capabilities definiert, von denen jede einzelne vorhanden sein müsse, um ein der Menschenwürde gemässes Leben führen zu können. Entlang dieser zentralen Capabilities wurde die Lebenssituation chronisch psychisch Kranker analysiert.

Es wurden leitfadengestützte Interviews durchgeführt und mit der Methode der inhaltlich-strukturierenden Qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet. Die Ergebnisse zeigen, dass die Befragten in annähernd allen Bereichen gerechtigkeitsrelevante Einschränkungen hinnehmen müssen. Zusätzlich lässt sich eine hohe gegenseitige Dependenz der einzelnen Capabilities erkennen. So wie ein Zuwachs an Verwirklichungschancen innerhalb einer Capability sich positiv auf mehrere andere gerechtigkeitsrelevante Bereiche auswirkt, so ziehen auch Einschränkungen negative Folgen in mehr als einer Capability nach sich. Besonders deutlich erweist sich der Einfluss der Fähigkeit „Zugehörigkeit“ auf die Verwirklichungschancen in anderen Bereichen. Menschen in dieser Capability zu stärken kann auf den Ebenen anderer Verwirklichungschancen folglich Multiplikatoreffekte erzielen.

Als eine Möglichkeit der Sozialen Arbeit, die Chancen chronisch psychisch kranker Menschen auf ein gutes Leben nach ihren eigenen Vorstellungen zu verbessern, werden Interventionen der Sozialen Netzwerkarbeit auf Mikro-, Meso- und Makroebene vorgestellt. Zusätzlich werden die Möglichkeiten und Grenzen des Capability Approachs innerhalb des psychiatrisch-medizinischen Felds diskutiert. Dabei wird argumentiert, dass die konsequente Orientierung an sozialpsychiatrischen Maximen die notwendigen Bedingungen herstellt, um psychisch kranke Menschen in ihren Central Human Capabilities zu fördern. Unter dieser Voraussetzung kann der Capability Approach innerhalb der Psychiatrie sowohl als ethische Richtlinie, als auch als Disziplinen übergreifende Zielvorgabe professionellen Handelns konstruktiv genutzt werden.

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Christiane Klug
Eine Frage der Gerechtigkeit
Verwirklichungschancen chronisch psychisch kranker Menschen. Eine qualitative Studie aus gerechtigkeitstheoretischer Perspektive
Master-Thesis
162 Seiten
08.2015
978-3-03796-562-7