Partizipation beim Vereinbaren von Zielen?

Eine explorative Analyse zur Zielvereinbarung aus Sicht von vier langzeiterwerbslosen Sozialhilfebeziehenden im Kanton Bern

Ausgezeichnet mit dem Anerkennungspreis des Vereins Alumni BFH Soziale Arbeit

Der Kanton Bern schreibt vor, dass Sozialhilfe auf Basis einer individuellen Zielvereinbarung gewährt wird. Die Rahmenbedingungen der Sozialhilfe schränken jedoch den Spielraum des „Vereinbarens“ ein. Den Ausgangspunkt für das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Bachelorthesis bildet die Annahme, dass das Vereinbaren von Zielen mit Langzeiterwerbslosen eine besondere Herausforderung darstellt. Diese Menschen sind häufig von Hoffnungslosigkeit und Resignation betroffen, was das Finden und Festlegen von attraktiven und erreichbaren Zielen erschwert.

Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, wie langzeiterwerbslose Sozialhilfebeziehende den Zielvereinbarungsprozess wahrnehmen. Dazu werden vier Sozialhilfebeziehende mittels problemzentrierten Interviews (PZI) befragt sowie Zielvereinbarungsgespräche der Befragten mit ihren Sozialarbeitenden ausgewertet. Zur Erklärung, wie Menschen Ziele auswählen, werden motivationspsychologische Modelle herangezogen. Als geeignete Handlungsansätze für Sozialarbeitende im Zielvereinbarungsprozess werden die Motivierende Gesprächsführung sowie das Transtheoretische Modell der Veränderung beleuchtet.

Die Untersuchung ergibt, dass im Zielvereinbarungsprozess vor allem arbeitsbezogene Ziele und kaum persönliche Wünsche der Klientinnen und Klienten diskutiert werden. Die Befragten sehen in der Zielvereinbarung eine Orientierungshilfe für den Blick in die Zukunft und in die Vergangenheit sowie ein Instrument zur Förderung der Transparenz zwischen Sozialhilfebeziehenden und Sozialarbeitenden. Als Unterstützung bei der Zielerreichung wird die Zielvereinbarung hingegen nicht eingeschätzt. Die Partizipation der Sozialhilfebeziehenden am Zielvereinbarungsprozess ist nicht nur durch sozialhilferechtliche Vorgaben eingeschränkt, sondern auch durch sprachliche Hürden beim Einbringen eigener Interessen.

In Bezug auf das sozialarbeiterische Handeln zeigen die Ergebnisse, dass eine tragfähige Beziehung sowie eine hohe Gewichtung der Phase der Exploration möglicher Ziele die Grundlage eines gelingenden Zielvereinbarungsprozesses sind. Die sprachliche Verständigung zwischen Sozialhilfebeziehenden und Sozialarbeitenden ist eine Voraussetzung dafür, dass Ziele nicht nur vorgegeben, sondern ausgehandelt werden können. Häufig sind Langzeiterwerbslose durch die erfolglose Stellensuche resigniert. In der Arbeit mit resignierten Klientinnen und Klienten ist es sinnvoll, Prozessziele zu definieren, die sich auf die Ausführung bestimmter Handlungen beziehen. Im Gegensatz zu Ergebniszielen können Prozessziele erreicht werden, ohne dass ein bestimmtes Endergebnis eintreten muss.

Fragen für weitere Forschungen betreffen die Übertragbarkeit des Zielkonzepts auf die Arbeit im inter- und transkulturellen Bereich, die Wirkung von Zielvereinbarungen auf die Zielerreichung und die Einschätzung der Arbeit mit Zielen durch andere Gruppen von Klientinnen und Klienten innerhalb und ausserhalb der Sozialhilfe sowie durch Sozialarbeitende.

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Jessica Mauchle, Peter Kobel
Partizipation beim Vereinbaren von Zielen?
Eine explorative Analyse zur Zielvereinbarung aus Sicht von vier langzeiterwerbslosen Sozialhilfebeziehenden im Kanton Bern
Bachelor-Thesis
132 Seiten
14.04.2016
978-3-03796-579-5