Agency im Unterbringungsprozess

Handlungsmächtigkeit aus der Perspektive jugendlicher Pflegekinder

Agency stellt in der Übergangs- und Lebenslaufforschung und auch in Childhood-Studys ein zentrales Konzept dar. In der Forschung zu Pflegekindern wurde es bisher jedoch kaum explizit aufgegriffen. Aus dem Agency Diskurs gibt es einerseits den Ansatz, dass die Handlungsfähigkeit als ein Vermögen des Individuums betrachtet wird, in der Gestaltung der eigenen Lebenssituation einen entscheidenden Einfluss ausüben zu können. Strukturen stehen dem in einer ermöglichenden oder einschränkenden Form gegenüber. Diese dualistische Vorstellung erweiternd, begreifen relationale Konzeptionen von Agency Handlungsfähigkeit als etwas, das in sozialen Konstellationen kollektiv hergestellt wird. Vor diesem Hintergrund wird in der vorliegenden Masterthesis der Frage nachgegangen, wie jugendliche Pflegekinder aus ihrer subjektiven Perspektive Agency während ihres Unterbringungsprozesses und in der sozialen Konstellation mit den involvierten
Akteur:innen erleben. In diesem Zusammenhang wird neben dem subjektiven Agentivierungsprozess auch die Rolle der Beistandspersonen beleuchtet und die Gestaltung von Partizipation betrachtet. Anhand einer biographisch-analytischen texthermeneutischen Analyse wurde festgestellt, dass die sozialen Bedingungen in enger Verschränkung mit individueller Selbstbestimmung massgebend bestimmend sind, wer mit
welcher Agentivität adressiert wird und wem dadurch welche Rolle und Position zukommt. Handlungsfähigkeit hängt zu einem Teil von der persönlichen Entwicklung ab, aber bei weitem massgebender davon, ob und wie in sozialen Konstellationen Agency kollektiv hergestellt wird. So kann Handlungsfähigkeit von Pflegekindern insbesondere in anforderungsreichen Phasen während ihres Unterbringungsprozesses entweder effektiv oder ineffektiv sein, ermöglicht oder verhindert werden oder aber eine Zeitlang verloren gehen. Agency wird dabei nicht als Resultat von Partizipation betrachtet. Es wird stattdessen davon ausgegangen, dass die Einordnung der Erfahrungen davon abhängig ist, inwiefern ihre Beteiligungsrechte in den sozialen Strukturen und Prozessen gesichert sind und die damit verbundenen individuellen Partizipationsmöglichkeiten
sich ausgestalten. Die vorliegende Masterarbeit fragt nach der Perspektive von Jugendlichen auf ihr Leben und leistet damit einen Beitrag, mehr Einblick in ihre Erfahrungswelt und subjektive Auseinandersetzung mit der Pflegesituation zu erhalten.

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Vanda Wrubel
Agency im Unterbringungsprozess
Handlungsmächtigkeit aus der Perspektive jugendlicher Pflegekinder
Master-Thesis
140 Seiten
12.01.2022
10.26038/459741