Die klinische Soziale Arbeit im Spannungsfeld zwischen Legitimation und Überflüssigkeit

Eine theoretische sowie empirische Auseinandersetzung zum Nutzen der Sozialen Diagnose am Beispiel der Systemmodellierung

Die Dauer von suchtspezifischen Entwöhnungstherapien wird aufgrund der Kostenexplosion im Gesundheitswesen zunehmend verkürzt. Trotzdem müssen dieselben Therapieeffekte erzielt werden. Abhängigkeitserkrankungen haben körperliche, psychische und soziale Auswirkungen. Diese Mehrdimensionalität bedingt eine interprofessionelle Kooperation der Medizin, Psychotherapie und klinischen Sozialen Arbeit. Die Fachsozialarbeit ist am wenigsten etabliert und nimmt keine eigenständige Diagnostik vor. Die vorliegende Bachelor-Thesis zeigt auf, wie sich die Soziale Diagnostik auf die Intensität von Entwöhnungstherapien auswirkt. Im Mittelpunkt stehen die Chancen und Risiken für Menschen mit komorbiden Erkrankungen. Mehrfacherkrankungen bedürfen einem integrativen Therapiesetting, welches das soziale Umfeld miteinbezieht. Professionelle müssen auf Augenhöhe interagieren und ihre Expertise bedarfsorientiert einbringen. Die Soziale Diagnostik dient der Koordination dieser Kooperation. Deshalb werden die Chancen und Risiken auch hinsichtlich der interprofessionellen Kooperation und der Mehrperspektivität untersucht.

Zuerst wird geklärt, welches Gesundheitsverständnis der Fachsozialarbeit zu Grunde liegt. Danach werden die Therapieziele der Praxisorganisationen des Kantons Aargau erschlossen. Es wird aufgezeigt, welche Kooperationsbeteiligten mit welchen Zuständigkeiten vertreten sind. Das Grundlagenwissen wird durch die Betrachtung der Phänomenologie ausgewählter Komorbiditäten komplettiert. Auf diesem Wissen baut der Exkurs zur allgemeinen Sozialen Diagnostik auf, welcher mittels der Systemmodellierung vertieft wird. Anhand der theoretischen Erkenntnissen werden Thesen zu den Chancen und Risiken abgeleitet. Sie werden durch schriftliche Befragungen in den Aargauer Suchtfachkliniken modifiziert.

Die Ergebnisse der Bachelor-Thesis zeigen, dass die Soziale Diagnostik einen Mehrwert generiert. Sozialkulturelle Lebensbedingungen lösen (bio-)psychische Problemdynamiken aus und tragen zu deren Aufrechterhaltung bei. Die Soziale Diagnostik ergänzt das Fallwissen, indem die (psycho-)sozialkulturellen salutogenetischen und pathologischen Fallanteile erfasst werden. So entsteht ein ganzheitliches, synchronisiertes Fallverständnis. Die subjektiven Gesundheitsvorstellungen und Ressourcen werden einbezogen, was die Adhärenz und Veränderungsprozesse fördert. Es gelingt, die integrationshemmenden Bedingungen bereits während der Therapie zu entschlüsseln. Das Risiko erneuter Ausschlussprozesse wird minimiert und die Therapieintensität verbessert. Die empirische Erhebung macht entgegen der Theorie sichtbar, dass die Fachsozialarbeit nicht für die Koordination der Kooperation zuständig ist.

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Caroline Kuster, Sabrina Wiedmer
Die klinische Soziale Arbeit im Spannungsfeld zwischen Legitimation und Überflüssigkeit
Eine theoretische sowie empirische Auseinandersetzung zum Nutzen der Sozialen Diagnose am Beispiel der Systemmodellierung
Bachelor-Thesis
2020
10.26038/171568