Die Pflegekinderaufsicht im Kanton Aargau

Eine empirische Untersuchung über das Erleben der Pflegekinderaufsicht aus der Perspektive von unbegleiteten Pflegefamilien

In der Schweiz hat die Unterbringung von Kindern in Pflegefamilien eine unrühmliche Geschichte unter dem Namen Verdingkinderwesen. Als Reaktion auf die unhaltbaren Zustände wurde die Betreuung von Kindern in Familien verrechtlicht, institutionalisiert und mittels der Pflegekinderaufsicht unter öffentliche Aufsicht gestellt. Die kommunale Zuständigkeit für die Pflegekinderaufsicht im Kanton Aargau führt zu einer Vielfalt an Organisationsformen und Ressourcenausstattungen dieser. In vorliegender Masterthesis wird deshalb der Frage nachgegangen, wie unbegleitete Aargauer Pflegefamilien die Aufsicht über ihr Pflegeverhältnis erleben und ob die der Pflegekinderaufsicht zur Verfügung stehenden Ressourcen sich mitihrem Unterstützungsbedarf decken. Vorgängig werden die historische Dimension des Pflegekinderwesens in der Schweiz, rechtliche Grundlagen mit Relevanz für die Familienpflege und aktuelle Herausforderungen des schweizerischen und aargauischen Pflegekinderwesens beleuchtet, indem unter anderem nach Anforderungen an Pflegefamilien, Pflegeverhältnisse und deren Beaufsichtigung und Begleitung gefragt wird. Die empirische Untersuchung basiert auf leitfadengestützten Interviews mit zwölf Pflegefamilien. Die Datenauswertung wurde mittels der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse nach Kuckartz vorgenommen und zur theoretischen Verortung der Ergebnisse dient die Anomietheorie nach Robert K. Merton, die abweichendes Verhalten mit einer Diskrepanz zwischen kulturellen Zielen und institutionalisierten Mitteln erklärt. Ein zentrales Ergebnis der Untersuchung geht dahin, dass unbegleiteten Pflegeeltern die Aufsicht über ihr Pflegeverhältnis sehr unterschiedlich erleben und verschiedene Variablen das Erleben beeinflussen. Die Pflegekinderaufsicht hat hinsichtlich der Unterstützung eine geringe Relevanz, mitunter aufgrund der unzureichenden Ressourcen für die bedürfnisorientierte Begleitung der Pflegefamilien. Es lässt sich schlussfolgern, dass Pflegefamilien eine wichtige zivilgesellschaftliche Ressource sind, die vielen Kindern günstige Bedingungen für ein positives Entwicklung ermöglichen. Die dem aargauischen Pflegekinderwesen zu Grunde liegenden Strukturen und Mittel sind jedoch unzureichend für die individuelle Unterstützung und Wertschätzung der Leistung von unbegleiteten Pflegefamilien.

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Claudia Gerber-Tritten
Die Pflegekinderaufsicht im Kanton Aargau
Eine empirische Untersuchung über das Erleben der Pflegekinderaufsicht aus der Perspektive von unbegleiteten Pflegefamilien
Master-Thesis
117 Seiten
01.2021
10.26038/237908