Evidenzbasierte Praxis im Risikoorientierten Sanktionenvollzug

eine quantitative Untersuchung der Einflussfaktoren auf die Einstellung gegenüber evidenzbasierter Praxis

Der Risikoorientierte Sanktionenvollzug (ROS) gilt als Wegbereiter einer evidenzbasierten Praxis (EBP) im Kontext der Schweizer Straffälligenhilfe. Fachpersonen nehmen dabei eine Schlüsselfunktion im Theorie-Praxis-Transfer ein. Die vorliegende Studie untersucht, inwiefern Merkmale der Fachpersonen und Merkmale der Organisation mit der Einstellung gegenüber EBP, als zentraler Faktor für eine erfolgreiche Implementationsbemühung, zusammenhängen. Die Zielpopulation der Studie sind alle fallverantwortlichen Fachpersonen des Ostschweizer Strafvollzugskonkordats, die aktiv in den ROS-Prozess eingebunden sind. Zur Prüfung der aus der Literatur abgeleiteten Forschungshypothesen wurde ein quantitatives Forschungsdesign mittels Online-Fragebogen verwendet. Das zentrale Instrument des Fragebogens ist die standardisierte und validierte EBPAS-15, die die Einstellung von Fachpersonen gegenüber EBP auf den Ebenen Anforderung, Offenheit, Attraktivität und Divergenz misst. Zur Erhebung der unabhängigen Variablen wurden Skalen zur Messung psychografischer und demografischer Merkmale herangezogen. Ein heterogenes Sample von 96 interdisziplinären Fachpersonen aus Vollzugseinrichtungen und der Bewährungshilfe nahm an der Befragung teil. Im Allgemeinen weist die Befragung auf eine sehr positive Einstellung zu EBP in der untersuchten Stichprobe hin: 83.33 % der Befragten lagen über dem neutralen EBPAS-Mittelwert. Die Variablen Interesse an EBP, Leitungsfunktion, humanistische Werte, systemische Kriminalitätstheorien, Forschungswissen als Wissensquelle, ROS-Kenntnisse und Wirkungsprinzipien zeigen einen signifikanten Zusammenhang mit der EBPAS. Das multiple lineare Regressionsmodell zeigt, dass 13.4 % der Varianz der EBPAS durch die Variable Leitungsfunktion, gefolgt von ROS-Kenntnis und humanistische Werte, erklärt werden können. Die Ergebnisse bestätigen zentrale Erkenntnisse des wissenschaftlichen Fachdiskurses, der eine verstärkte Aufmerksamkeit auf Umweltfaktoren im Theorie-Praxis-Austausch fordert. Insbesondere verweisen sie auf die zentrale Bedeutung der professionellen Funktion, programmspezifischer Erfahrungen und Wertvorstellungen für die Einstellung gegenüber EBP. Die Rolle und Funktion der Fachpersonen in spezifischen EBP-Programmen sollte geklärt und damit verbundenen Herausforderungen mit einem zirkulären Wissenstransfer begegnet werden.

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Theresa Wagner
Evidenzbasierte Praxis im Risikoorientierten Sanktionenvollzug
eine quantitative Untersuchung der Einflussfaktoren auf die Einstellung gegenüber evidenzbasierter Praxis
Master-Thesis
103 Seiten
19.05.2025