Gehirn – die Eintrittskarte zur Klärungsarbeit?

Wie sinnvoll und realistisch ist ein gehirngerechter Einstieg in die Klärungsarbeit bei sozialen Konflikten in der Wirtschaftsmediation? Theoriearbeit über neurobiologische Hintergründe und Rahmenbedingungen

Die Hirnforschung hat in den letzten Jahrzehnten ihr Verständnis des Gehirns revolutioniert. Drei Erkenntnisse sind im Zusammenhang mit der vorliegenden Arbeit zentral. Erstens: Das Gehirn bleibt ein Leben lang plastisch, also form- und veränderbar und entwickelt sich mit individuellen Erfahrungen (Hüther, 2004, S. 224). Zweitens: Diese Erfahrungen müssen emotional berührend sein, um Veränderungen anzustossen (S. 245). Und drittens: Das Denken ist mit dem Fühlen verbunden, bzw. das Gehirn mit dem Körper – und zwar untrennbar (Storch, Cantieni, Hüther & Tschacher, 2017, S. 76).

Auf diesen Erkenntnissen basierend wird beleuchtet, wie sich die Interaktion von Gehirn und Körper am Ausgangspunkt der Konfliktklärung, wenn das Gehirn unter Stress steht, verhält. Welche Interdependenzen sind für den Start in die Konfliktklärung relevant und zwingend zu berücksichtigen? Wie können Erkenntnisse sinnvoll utilisiert und im Systemumfeld Wirtschaftsmediation etabliert werden? Um konzise Antworten zu geben, wird in der vorliegenden Arbeit zuerst ein generelles Verständnis darüber geschaffen, was ein Konflikt ist, wie er entsteht und eskaliert. Anhand eines etablierten Modelles wird beschrieben, wie ein Konflikt klassischerweise mediiert wird.

Um grundlegende Erkenntnisse rund um den gehringerechten Einstieg in die Konfliktklärung zu gewinnen, wird hergeleitet, wie einzelne Bereiche des Gehirns funktionieren – oszillierend zwischen Normal- und Erregungszustand (Stress) – und wie sie sich sowohl untereinander als auch mit dem gesamten Körper verständigen. Ausserdem werden neurobiologische Einflussfaktoren aus der Forschung kontextual beschrieben und kritisch erörtert. Da nur wenige Korrelate zwischen Neurobiologie und dem Einstieg in die Klärungsarbeit hinsichtlich Methoden und neuen Ansätzen erforscht wurden, werden in dieser Arbeit Erkenntnisse aus den unterschiedlichen Forschungsgebieten (insbesondere Neuropsychologie, Neuropsychiatrie, Neurodidaktik, Neurocoaching) resümiert und – teils explorativ – auf ihre Relevanz für den Einstieg in die Klärungsarbeit im Systemumfeld Wirtschaftsmediation untersucht.

Die neurobiologischen Herleitungen belegen die stringente Begründung, dass ein gehirngerechter Einstieg in die Klärungsarbeit den Gehirnen der Konfliktparteien überhaupt erst ermöglicht, ressourcenvoll mitzuarbeiten. Als Destillat der neurobiologischen Zusammenhänge werden kontextbezogen fünf neurobiologische Wirkfaktoren vorgestellt, sogenannte «gehirngerechte Parameter, die die Rahmenbedingungen für einen gehirngerechten Einstieg in die Klärungsarbeit repräsentieren. Der Praxistransfer erfolgt unter Einhaltung der Rahmenbedingungen divers, d.h. mit unterschiedlichen Methoden, die in stimmiger, ruhiger Abfolge kohärent zum Einsatz kommen.

Die vorliegende Arbeit soll grundlegend das Verständnis über die Synthese von Gehirn und Körper fördern und dazu einladen, die wissenschaftlichen Erkenntnisse adaptiv und integrativ für den Einstieg in die Klärungsarbeit zu nutzen. Das Zielpublikum dieser Arbeit sind Mediatorinnen und Mediatoren, insbesondere im Systemumfeld Wirtschaftsmediation. Für sie soll die vorliegende Arbeit nachvollziehbar aufzeigen, weshalb ganzheitliches Arbeiten am Anfang der Klärungsarbeit sinnvoll und realistisch ist. Die Arbeit soll ermutigen und inspirieren, Bekanntes und Bewährtes mit Ganzheitlichem und Neuem zu verschmelzen, um basierend darauf bewusst gehirngerecht in die Klärungsarbeit einzusteigen.

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Eliane Steffen-Marti
Gehirn – die Eintrittskarte zur Klärungsarbeit?
Wie sinnvoll und realistisch ist ein gehirngerechter Einstieg in die Klärungsarbeit bei sozialen Konflikten in der Wirtschaftsmediation? Theoriearbeit über neurobiologische Hintergründe und Rahmenbedingungen
Masterarbeit (MAS)
2022
10.26038/718703