Gerechtigkeitsvorstellungen in der Debatte des Berner Grossen Rates um die Teilrevision des Sozialhilfegesetzes
Inhaltsanalytische Untersuchung
Die Sozialhilfe steht in der Schweiz unter starkem Legitimationsdruck. Sie hat sich unter dem Einfluss des aktivierenden Sozialstaates gewandelt, fokussiert immer mehr auf berufliche Integration und individualisiert soziale Probleme zunehmend. Die sinkende Akzeptanz für die Sozialhilfe kann auf veränderte Gerechtigkeitsvorstellungen zurückgeführt werden. Der Berner Grosse Rat hat in zwei Lesungen über eine einschneidende Teilrevision des Berner Sozialhilfegesetzes beraten. Die erste Lesung wird mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Kuckartz auf Gerechtigkeitsvorstellungen untersucht. Dabei zeigen sich überwiegend individualistische Gerechtigkeitsvorstellungen, welche zu einer Kategorisierung der Sozialhilfeklientinnen und -klienten in ‚Würdige‘ und ‚Unwürdige‘ führt. Ausserdem zeigt sich eine ‚unternehmerische Gerechtigkeit‘, welche nebst dem Staat und dem Individuum auch den Unternehmen eine gesellschaftliche Verantwortung überträgt. Mittels des Capability Ansatzes kann die Soziale Arbeit die Lebenslage der Klientinnen und Klienten als Ergebnis ihrer Einbindung in die Strukturen erkennen und sie in der Weiterentwicklung ihrer Fähigkeiten und Potenziale fördern. Dazu braucht es einen egalitaristisch orientierten Sozialstaat, welcher über Umverteilungsmassnahmen die Existenz sichert und Verwirklichungschancen ermöglicht.