Kinder in Familien mit gleichgeschlechtlichen Eltern im Kontext Schule
Seit gleichgeschlechtliche Lebensformen in breiten Bevölkerungskreisen Akzeptanz erfahren, rücken zunehmend Familien mit gleichgeschlechtlichen Eltern in das Blickfeld der Öffentlichkeit, und es finden Diskussionen über sie statt. In der Schweiz ist kaum etwas bekannt über die Lebensrealität dieser Familien. Diese Bachelor-Thesis will einen Beitrag dazu leisten, die Erfahrungen von Familien mit gleichgeschlechtlichen Eltern mit dem Lebensbereich Schule zu verstehen. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die Erfahrungen der Kinder dieser Familien gelegt. Insbesondere wird den Fragen nachgegangen, ob und wenn ja welche Art von Stigmatisierung und Diskriminierung sie erleben, wie sie damit umgehen, und was die Soziale Arbeit und die Schule zu einem stigmatisierungsärmeren Schulumfeld beitragen können.
Dazu wird anhand der Konzepte von Goffman sowie von Link und Phelan erklärt, was Stigmatisierung ist. Einen theoretischen Bezug aus der Sozialen Arbeit liefert das professionelle Mandat von Staub-Bernasconi, das auf Menschenrechte und Wissenschaftlichkeit rekurriert. Weitere theoretische Fundamente bilden die Konzepte der Lebensweltorientierung und der Biografie. Ergebnisse zu den Fragestellungen werden aus Fachliteratur wie auch aus eigener, qualitativer Forschung gewonnen. Häufigkeit, Art und Folgen von Stigmatisierungen, wie die betroffenen Kinder damit umgehen sowie was Schutzfaktoren vor und Unterstützungsmöglichkeiten bei Stigmatisierungen sind, wird anhand zahlreicher Studien, insbesondere aus Deutschland, den USA und Australien, dargelegt. Der empirische Teil umfasst die Ergebnisse aus fünf offenen Leitfadeninterviews mit Familien mit gleichgeschlechtlichen Eltern in der Deutschschweiz. Dabei liegen Ergebnisse dazu vor, wie die Familien mit ihrer Familienkonstellation gegenüber ihrem Umfeld umgehen, und welche Reaktionen sie darauf erhalten, welche Stigmatisierungserfahrungen sie machen, wie sie damit umgehen und was dabei Unterstützungs- und Schutzfaktoren sind sowie welchen Handlungsbedarf die Befragten sehen.
Wie in den theoretischen Modellen beschrieben, ist das Aufwachsen mit gleichgeschlechtlichen Eltern ein Stigmatisierungsmerkmal – einige Kinder erfahren Hänseleien und Diskriminierung. Unterstützung kann durch die Eltern geschehen, wenn das Kind erfahren darf, dass seine Familie gut und gleichwertig ist, und es dadurch Selbstvertrauen schöpft. Handlungsbedarf wird darin gefunden, dass Lehrpersonen bei Hänseleien konsequent eingreifen und diese nicht akzeptieren sowie Unterstützungsbedarf bei den Familien direkt erfragen sollten. Nicht-heteronormative Lebens- und Familienmodelle sollten im Schulunterricht vorkommen. Die Soziale Arbeit kann im Rahmen der Schulsozialarbeit gegen Stigmatisierungen von Familien mit gleichgeschlechtlichen Eltern vorgehen, sozialpolitisches Lobbying zu deren Gunsten betreiben und entsprechende Forschung anstossen und bekannt machen.