Lebensmittelpunkt Strasse als Zwischenstation

Ausgangspunkt der vorliegenden Masterthesis ist die Obdach- und Wohnungslosigkeit bei Jugendlichen. Obwohl die Lebenslagen und Ursachen dieses
Phänomens bereits eingehend untersucht wurden, ist wenig darüber bekannt, welche Bedeutung die sozialen Beziehungen für sozialintegrative oder auch
sozialdesintegrative Prozesse für Jugendlichen in Strassenszenen haben. Ein möglicher Grund dafür ist, dass die Strassenszene oft einseitig unter dem
Risikoparadigma betrachtet wird und die vorhandenen Ressourcen sowie Ersatz- Sozialisationsleistungen zu wenig beachtet werden. In dieser Masterthesis werden
soziale Beziehungen als Bedingung für die Zuwendung sowie auch für den Abschied aus der Strassenszene untersucht. Dafür werden qualitative Interviews geführt und nach der Grounded Theory Methodologie ausgewertet und interpretiert. Dabei zeigt sich, dass ein deutlicher Zusammenhang zwischen den sozialen Bezügen von Jugendlichen und einer gelingenden Bewältigung ihrer Entwicklungsaufgaben in Form von sozialer Individuation und sozialer Integration besteht. Eine zentrale Erkenntnis ist, dass Jugendliche die Strassenszene in ihrem Bewältigungshandeln mehrheitlich im Sinne einer Zwischenstation auf dem Weg zur Selbständigkeit und Autonomie nutzen. Die Strassenszene wird dann zu einer wichtigen Bezugsgrösse für Jugendliche, wenn wenig andere soziale Ressourcen vorhanden sind, sie stellt jedoch kein Ziel oder Endpunkt ihrer individuellen Integrationsprozesse dar. Die Ergebnisse führen zur Empfehlung, die Strassenszene aus einer erweiterten, ressourcenorientierten Perspektive zu betrachten und die erkennbaren Chancen für die soziale Integration betroffener Jugendlicher gesellschaftlich einzubinden, ohne gleichzeitig das bestehende Gefährdungspotential auszublenden.