Parentifizierung im Asylwesen
Handlungsempfehlungen für Sozialarbeitende in Kollektivunterkünften des Berner Oberlands
In Schweizer Kollektivunterkünften, in welchen geflüchtete Familien untergebracht sind, ist das Phänomen «Parentifizierung», welches eine Rollenumkehr zwischen Eltern und ihren Kindern darstellt, weit verbreitet. Auch in Kollektivunterkünften im Berner Oberland zeigt sich Parentifizierung in verschiedenen Formen, welche grösstenteils negative Folgen für die betroffenen Kinder haben. Deshalb geht die vorliegende Arbeit der Frage nach, welche Handlungsempfehlungen Sozialarbeitende in Kollektivunterkünfte im Berner Oberland umsetzen sollten, um der Parentifizierung von geflüchteten Kindern entgegenzuwirken.
Mithilfe von Literaturrecherche wird Parentifizierung als Phänomen beleuchtet. Spezifisch wird dabei auf Parentifizierung im Asylwesen eingegangen und Risko- sowie Schutzfaktoren und mögliche Folgen aufgezeigt. Zur Erkennung von Parentifizierung werden unter anderem die Entwicklungsaufgaben von Kindern und die damit zusammenhängenden Erziehungsaufgaben von Eltern beleuchtet. Gleichzeitig wird ein Überblick über das Asylwesen und die Strukturen der Unterbringung im Berner Oberland gegeben. Mithilfe von Fallbeispielen aus Unterkünften im Berner Oberland wird auf das Vorkommen von Parentifizierung eigegangen und genutzte Massnahmen werden analysiert.
Die Autorinnen der Arbeit kommen zum Ergebnis, dass Parentifizierung als für das Kindeswohl schädliche Problematik nicht immer erkannt oder bearbeitet wird. Zudem kommt die Arbeit zum Schluss, dass viele der Stellen, welche eigentlich für Sozialarbeitende vorgesehen sind, durch Personen ohne sozialarbeiterischen Hintergrund besetzt sind. Die Ergebnisse unterstreichen deshalb die Notwendigkeit, das Wissen von Sozialarbeitenden aber auch von anderen Fachpersonen in derselben Arbeitsposition im Hinblick auf Parentifizierung zu erweitern. Gleichzeitig wurde erkannt, dass das soziale Netz von Familien mit Hilfe von Sozialarbeitenden ausgebaut werden muss, um Schutzfaktoren bezüglich der Parentifizierung zu fördern. Ebenfalls kommt der Vernetzung der Familien mit Hilfsangeboten aus dem freiwilligen und zivilrechtlichen Kindesschutz eine wichtige Bedeutung zu. Es werden zudem Mängel auf struktureller Ebene festgestellt, welche spezifisch durch die Soziale Arbeit in Form von politischem und institutionellem Engagement angegangen werden müssen, um der Parentifizierung geflüchteter Kinder professionell begegnen zu können. Ziel dieser Arbeit ist es, Sozialarbeitende in der Praxis zu unterstützen und die Entwicklung von begleiteten Kindern in den Asylstrukturen zu schützen und zu fördern.