Professioneller Bühnentanz als Lebensentwurf

Perspektiven junger Tänzer:innen auf das Selbst und dessen biographische Verankerung im Kontext eines spezifischen sozialen Feldes

Die vorliegende Master-Thesis beleuchtet im Rahmen einer empirischen Untersuchung aus deren Perspektive die Karrieren ausgewählter junger Bühnentänzer:innen und ihre einzigartigen Realitäten sowie spezifischen Herausforderungen, denen sie im Rahmen ihrer professionellen Tanzausbildung begegnen. Im Zentrum stehen die Fragen nach der subjektiven Bedeutung des Tanzens im Kontext sozialisatorischer Bedingungen, den identitätsprägenden Aneignungsprozessen im Rahmen dieser sozialen Praxis und nicht zuletzt den Problemen, mit denen sie im Laufe ihrer Biographie und in ihrer vom Tanzen geprägten Lebenswelt konfrontiert wurden und werden. In diesen Zusammenhängen werden ferner ihre Bewältigungsstrategien ins Auge gefasst und hierbei geht es auch um die Frage, wie ihnen in ihrem von zweckrationalen Strukturen geprägten kompetitiven Umfeld die Bewältigung altersspezifischer Entwicklungsaufgaben gelingt. Das übergeordnete, praxisorientierte Forschungsinteresse bestand darin, im Kontext der Erkenntnisse solche Problemlagen und Tatbestände zu identifizieren, die auf eine Überforderung der Jugendlichen verweisen und hierin bestimmte Interventionen im Rahmen der Sozialen Arbeit nahelegen. Entsprechend passende Massnahmen sollten in diesem Zusammenhang auch erörtert werden. Zur Erfassung der Perspektiven dieser Nachwuchselite wurden leitfadengestützte Interviews mit vier Tänzer:innen geführt, die nach Kuckartz gemäss der Kategorien des Forschungsinteresses systematisch ausgewertet wurden. Die Einzelfälle wurden rekonstruiert, und es wurden unter Bezug auf die theoretischen Konzepte, die mit diesen Kategorien korrespondieren, die Forschungsfragen in einer zusammenfassenden Perspektive erörtert. Wesentliche Ergebnisse sind, dass von Beginn an fallübergreifend eine überaus hohe Identifikation mit dem professionellen Bühnentanz und eine starke intrinsische Motivation hinsichtlich einer Tanzkarriere vorhanden waren. Hierfür wurden verschiedene Probleme, Konflikte und Zumutungen in Kauf genommen, deren Überwindung eine gewisse Resilienz und Bewältigungsstrategien erkennen lässt. Die hohe identitätsprägende Bedeutung korrespondiert mit starken Aneignungsprozessen in diesem Feld. Die teils damit verbundene eindimensionale Sinnorientierung und Persönlichkeitsentwicklung erscheint dabei nicht unproblematisch, so werden depressive Phasen, Essstörungen und Dissonanzen in Bezug auf Gemeinschaftsorientierungen erwähnt, was im biographischen Verlauf auch mit bestimmten Phänomenen wie grenzverletzendem Verhalten von Lehrkräften zusammenhängt. Infolge des starken Fokus auf das Tanzen lassen sich Indizien für eine eingeschränkte Persönlichkeitsentwicklung und Erfüllung der Entwicklungsaufgaben erkennen, hinsichtlich alternativer Lebensperspektiven besteht teils eine gewisse Unsicherheit. Es zeigte sich insgesamt deutlich ein gewisser Bedarf an Unterstützung durch Konzepte der Sozialen Arbeit. Sinnvoll erscheinen dabei karrierebegleitend regelmässige Reflexionsgespräche, Angebote mentalen Trainings, die präventive Sensibilisierung für Probleme, Anlaufstellen im Akutfall und die Einbindung entsprechender fachlicher Expertisen, die Implementierung eines vielfältigen Freizeitangebotes in den Alltagskontext, eine soziale Öffnung des Internatslebens sowie Angebote zum Kennenlernen alternativer beruflicher Orientierungen.
Mehr Weniger
Jasmin Werder
Professioneller Bühnentanz als Lebensentwurf
Perspektiven junger Tänzer:innen auf das Selbst und dessen biographische Verankerung im Kontext eines spezifischen sozialen Feldes
Master-Thesis
150 Seiten
19.05.2025