Soziotherapie im Massnahmenvollzug
Inwiefern eignet sich die Soziotherapie, um zur Zielerreichung des stationären therapeutischen Massnahmenvollzugs beizutragen?
Im Schweizer Massnahmenvollzug, in dessen Zentrum die Behandlung psychisch erkrankter und suchtkranker Straftäter und Straftäterinnen steht, kommen nebst psychotherapeutischen und arbeitsagogischen Massnahmen nicht selten auch soziotherapeutische Interventionen zur Anwendung. Dies, obwohl das Behandlungskonzept der Soziotherapie auf begrifflicher und theoretisch-konzeptioneller Ebene verschiedene Unklarheiten aufweist. Im Rahmen dieser Arbeit wurde – gestützt auf eine historische und theoriebasierte Herleitung des Soziotherapie-Konzepts – untersucht, inwiefern sich diese Behandlungsmethode eignet, um zur Zielerreichung des stationären therapeutischen Massnahmenvollzugs beizutragen.
Anhand eines Literatur-Reviews wurden der Kontext des Schweizer Massnahmenvollzugs, dessen Grundsätze und Ziele sowie die Rolle der Sozialen Arbeit im Straf- und Massnahmenvollzug untersucht. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse wurden sodann mit konzeptionellen Ansätzen der Soziotherapie verglichen. Dabei wurden nicht nur Gemeinsamkeiten, sondern auch Herausforderungen und Anwendungsmöglichkeiten der Soziotherapie im Kontext des Massnahmenvollzugs identifiziert. Demnach verfolgen der Massnahmenvollzug und die Soziotherapie ähnliche Ziele. Beiderseits wird sowohl eine Wiedereingliederung des behandelten Individuums in die Gesellschaft als auch die Verbesserung dessen psychischen Gesundheitszustands angestrebt.
Die starke Risiko- und Deliktorientierung des Massnahmenvollzugs sowie die Ausgrenzung der Straftäter und Straftäterinnen zum Schutz der Gesellschaft erschweren es der Soziotherapie jedoch, ihrem Grundverständnis gerecht zu werden. Dieses basiert auf der Annahme, dass eine rein am Individuum orientierte Behandlung nicht ausreicht, um Probleme zwischen Individuum und Gesellschaft zu reduzieren und zur psychosozialen Gesundheit des erkrankten Individuums beizutragen. Als stark ressourcenorientierte und auf Vertrauen basierende Therapie zielt die Soziotherapie zudem darauf ab, Übungsfelder zu schaffen, in denen aus Fehlern gelernt werden kann. Gelingt es der Soziotherapie trotz restriktiver Rahmenbedingungen, ihre besonderen Qualitäten einzubringen, leistet sie einen Beitrag zur Zielerreichung des Massnahmenvollzugs.
Diese Erkenntnisse weisen auf die Relevanz einer Professionalisierung und wissenschaftlichen Fundierung der Soziotherapie im Massnahmenvollzug hin. Beides ist erforderlich, damit sich soziotherapeutische Interventionen im Massnahmenvollzug gegenüber anderen Behandlungsformen und auch gegenüber der Gesellschaft legitimieren können. Die Soziale Arbeit kann dazu beitragen, indem sie dazu Forschung initiiert und Fragen bezüglich der Qualifikation von Soziotherapeuten und Soziotherapeutinnen klärt.