Vergewaltigung in der Ehe
Der gesellschaftliche Diskurs als geschlechterpolitische Handlungsarena am Länderbeispiel Indien
Der Missbrauch durch den eigenen Partner ist ein soziales Problem, das weltweit, unabhängig von Religion, Kultur und weiteren sozioökonomischen Faktoren, weitverbreitet ist. Über die Gründe, die eine von Gewalt im sozialen Nahraum betroffene Frau dazu veranlassen, diese formell oder informell öffentlich zu machen, ist wenig bekannt. Ein Hindernis stellt die Erreichbarkeit der Hilfsangebote dar. Studien zeigen jedoch, dass bei betroffenen Frauen mit zunehmendem Problembewusstsein die Wahrscheinlichkeit steigt, dass sie handeln. Gerade bei sexueller Gewalt ist das Problembewusstsein entscheidend für die Hilfestellung der betroffenen Frau. Denn die aufgezeigte Kausalität scheint bei Opfern häuslicher Gewalt ohne die Komponente der sexuellen Gewalt nicht zuzutreffen. Die individuelle und gesellschaftliche Problemdeutung ist darüber hinaus kulturell geprägt und scheint ausserdem zusätzlich – je nach Art der erlebten Gewalt – zu variieren. Dennoch gibt es kaum Interventionen, die (kultur-)spezifisch für Betroffene von sexueller Gewalt im sozialen Nahraum entwickelt worden sind.
Die vorliegende Arbeit untersucht die gesellschaftlichen Wissensbestände und deren Auswirkungen und Relevanz auf und für das Problembewusstsein zu Vergewaltigungen in der Ehe spezifisch auf ein Land bezogen (Indien), um daraus Rückschlüsse für die Soziale Arbeit in der Schweiz im Migrationskontext zu ziehen. Hierzu wird anhand eines synchronen Schnitts durch den Diskursstrang zum Verrechtlichungsprozess der aktuelle gesellschaftliche Diskurs Indiens rekonstruiert. Als Forschungsprogramm und theoretischer Rahmen dient das Analyseprogramm sozialer Probleme nach Schetsche in Anlehnung an Methoden der Diskursanalyse. Die Erkenntnisse zeigen, dass spezifisches Wissen über eine Kultur und deren Lebenswelt dabei helfen, gezielte und effektivere Präventions- und Interventionsarbeit zu leisten. So kann die Auseinandersetzung mit der Wahrnehmung sowie den Definitionen und Deutungen von Gewaltphänomenen in verschiedenen Kontexten helfen, Barrieren gezielt zu erkennen. Für die Soziale Arbeit in der Schweiz ist die konkrete Schlussfolgerung, dass neben der vertieften Auseinandersetzung und Weiterentwicklung von sozial und integrationspolitischen Massnahmen, gezielte und kulturspezifischere Präventionsarbeit zu leisten ist, um für die Themen Rollenbilder, häusliche Gewalt, Sexualität und individuelle Rechte zu sensibilisieren. Hierfür sollten auch neue Kanäle (z.B. Social Media) und Multiplikatoren (z.B. religiöse VertreterInnen) miteinbezogen werden.