Wiederspiegelung der strukturell verankerten Herrschaftsverhältnisse im Phänomen der häuslichen Gewalt
Eine soziologische Perspektive auf gewaltförmige Konflikte in Paarbeziehungen
Das Phänomen der häuslichen Gewalt ist in der Schweiz eine soziale Tatsache, die jährlich mehrere tausend Opfer fordert. Die Betroffenen erleiden sowohl psychische als auch physische und soziale Schädigungen. Gewalt innerhalb einer Paarbeziehung deutet auf ein Ungleichgewicht hin. Neben Ursachen und Risikofaktoren auf individueller Ebene tragen gesellschaftliche Machtverhältnisse dazu bei, dass sich zwischen Individuen Konflikte manifestieren, welche Gewaltausübung zur Folge haben kann. In der Thesis wird deshalb auf folgende Fragestellung eingegangen: Inwiefern manifestieren sich strukturell verankerte gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse in gewaltförmigen Konflikten in Paarbeziehungen?
Es werden ausgewählte soziologische Theorien zu Macht und Herrschaft von Bourdieu, Heintz, Popitz und Schwarz auf die gewaltförmigen Konflikte in Paarbeziehungen übertragen, um zu analysieren, wie strukturelle Herrschaftsverhältnisse und Machtdynamiken das Phänomen der häuslichen Gewalt beeinflussen. In einem engen Zusammenhang mit den Herrschaftsverhältnissen steht die strukturell verankerte Geschlechterungleichheit, die ebenfalls einen Einfluss auf das Konfliktverhalten von Individuen hat. Die aus der theoretischen Auseinandersetzung gewonnenen Erkenntnisse werden auf ein Praxisfallbeispiel der Gewaltausübung im häuslichen Bereich angewendet. Ein Herrschaftsverhältnis muss sowohl von den über- und untergeordneten Personen anerkennt werden. Das daraus entstehende Macht- und Abhängigkeitsverhältnis dient zur Stabilisierung sozialer Strukturen, welche Orientierung und Sicherheit bieten. Die sozialen Verpflichtungen und Verantwortungen, welche mit der Macht einhergehen, werden von Individuen im Fall von häuslicher Gewalt nicht wahrgenommen beziehungsweise können nicht wahrgenommen werden. Die Gewalt zeigt sich als illegitimes Machtmittel und es stellt sich heraus, dass die Anwendung von physischer, psychischer sowie sexueller Gewalt einen Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung des Herrschaftsverhältnisses aufweist. In einer Paarbeziehung nimmt oft der Mann die übergeordnete Position ein und ist somit die gewaltausübende Person, während der Frau die untergeordnete Stellung zukommt. Dieses Geschlechterungleichgewicht zeigt sich im Alltag in Sprache, Kultur und Denk- sowie Handlungsweisen. Die bestehenden Herrschaftsverhältnisse begründen die Reproduktion sozialer Ungleichheit, welche sich in Form von struktureller und individueller Gewalt zeigen. Die Opfer von häuslicher Gewalt haben gemäss dem Opferhilfegesetz Anspruch auf Hilfe und Unterstützung, welche unter anderem durch Sozialarbeitende auf Opferhilfestellen gewährleistet wird. Das Bewusstsein des Zusammenspiels der Herrschaftsverhältnisse auf struktureller und individueller Ebene leistet einen Beitrag zur Hinterfragung und Erweiterung des Auftrages der Sozialen Arbeit innerhalb des Arbeitsfeldes der Opferhilfe.