Wohnungslose junge Erwachsene mit Mehrfachproblematiken
Chancen und Herausforderungen von Housing First
Housing First ist ein Ansatz in der Wohnungslosenhilfe, der eine bedingungslose Bereitstellung von einer Wohnung vorsieht. Dieser Ansatz steht konträr zum traditionellen Stufenplan-Modell, das zunächst die Erfüllung verschiedener Bedingungen voraussetzt, bevor eine Wohnung vermittelt wird. Die vorliegende Literaturarbeit geht der Frage nach, welche Chancen und Herausforderungen der Housing-First-Ansatz für die Zielgruppe junge Erwachsene mit Mehrfachproblematiken bieten kann und welche Bedeutung das Wohnen im Übergang von der Jugend ins Erwachsenenalter sowie in ein selbstbestimmtes Leben hat. Das methodische Vorgehen umfasst eine systematische Literaturrecherche, die Analyse von Falldossiers, persönliche Gespräche mit Fachpersonen und den Besuch einer Fachtagung. Theoretisch basiert die Arbeit unter anderem auf entwicklungspsychologischen Modellen von Havighurst, Erikson und Hurrelmann sowie auf dem Konzept der Lebensbewältigung nach Böhnisch. Nationale und internationale Projekte belegen die Wirksamkeit und Nachhaltigkeit des Housing-First-Ansatzes. Bestehende Housing-First-Angebote setzen jedoch als Aufnahmekriterium oftmals eine Langzeitobdachlosigkeit voraus, was junge Erwachsene häufig nicht erfüllen. Die Analyse zeigt, dass Housing First auch für diese Zielgruppe ein grosses Potenzial darstellt. So ermöglicht Housing First, im Sinne der Prävention, frühzeitig mit einem passenden Wohnangebot anzusetzen, damit junge Erwachsene gar nicht erst in eine «Abwärtsspirale» geraten. Die Ergebnisse zeigen zudem, dass Housing First durch die Bereitstellung von Wohnraum ohne Vorbedingungen und der individuellen Begleitung, die Stabilisierung der Lebenssituation junger Erwachsener in allen Lebensbereichen fördern kann. Housing First bietet die Chance, Mehrfachproblematiken effektiv zu adressieren und die Selbstbestimmung der Betroffenen zu stärken. Herausforderungen bestehen hingegen in der Umsetzung, insbesondere hinsichtlich der Verfügbarkeit von bezahlbarem Wohnraum und der Anpassung bestehender Unterstützungsstrukturen, die unter anderem mit einem Paradigmenwechsel in der Wohnungslosenhilfe verbunden wären.