Zwischen Normalwohnen und institutionellem Wohnen

Soziale Probleme werden im aktuellen sozialpolitischen Kontext zunehmend individualisierend bearbeitet. Wie gelingt einer professionellen Sozialen Arbeit die Bewegung im Spannungsfeld zwischen Individuum sowie gesellschaftlichen Strukturen und Verhältnissen, ohne in und mit der angebotenen (personenbezogenen) Unterstützung zu einer zusätzlichen Individualisierung sozialer Problemlagen beizutragen?

Ausgegend von diesem allgemeinen Erkenntnisinteresse wurden mit vorliegender Masterarbeit Deutungsmuster in der sozialarbeiterischen Übergangsbegleitung von Menschen mit psychischen Erkrankungen zwischen Normalwohnen und institutionellem Wohnen im Handlungskontext der Psychiatrie rekonstruiert. Für die Rekonstruktion der Deutungsmuster wurde ein qualitativer, interpretativer Forschungszugang gewählt, welcher sich an der Grounded Theory orientiert. Die Analyse von handlungsleitenden Deutungsmustern hat sich als geeignet erwiesen, um der Bewegung zwischen Individuum sowie gesellschaftlichen Strukturen und Verhältnissen auf die Spur zu kommen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Praxis der Sozialen Arbeit im Handlungskontext der Psychiatrie aus einer gesellschaftspolitisch und organisational anspruchsvollen Ausgangslage heraus agiert. Die rekonstruierten Deutungsmuster spiegeln teilweise die nach wie vor vorherrschende Logik des Stufenmodells im institutionellen Wohnkontext. In den rekonstruierten Deutungsmustern eingelagert sind Vorstellungen von Wohnen beziehungsweise institutionellem Wohnen, die auf ein idealisiertes und kulturgeschichtlich-gesellschaftlich geprägtes Normalwohnen sowie auf traditionell geprägte Familienbilder und Erziehungsvorstellungen verweisen. Schliesslich konnte das Deutungsmuster der Wohn(un)fähigkeit auch für den Handlungskontext der Psychiatrie nachgewiesen werden. Aus den Ergebnissen wurden Implikationen für eine reflektierte und professionelle sozialarbeiterische Praxis abgeleitet.