(Selbst-) bestimmt mit kognitiver Beeinträchtigung

Ein Modell zur Förderung von selbstbestimmten Entscheidungsprozessen im agogischen Wohnalltag

Für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen wird Selbstbestimmung gemäss dem Schattenbericht zur UNO-Behindertenrechtskonvention im Auftrag von Inclusion Handicap oft aus gesetzlichen, institutionellen, organisationalen, strukturellen oder Haltungsgründen empfindlich eingeschränkt. Die vorliegende Arbeit schlägt ein Modell vor, welches Fachpersonen der Sozialen Arbeit darin unterstützen kann, die Selbstbestimmung im agogischen Wohnkontext für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen zu gewährleisten und zu fördern. Dies geschieht auf der Grundlage folgender Fragestellung:

„Wie lassen sich die Kooperative Prozessgestaltung und Supported Decision Making zu einem Entscheidungsfindungsmodell kombinieren, um die Selbstbestimmung von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen im agogischen Wohnalltag zu fördern?“

Der Selbstbestimmungsbegriff wird mittels verschiedener Theorieansätzen und Bezügen zu den in der Sozialen Arbeit bekannten Konzepten des Tripelmandats von Staub-Bernasconi und dem Empowerment exploriert und in Kontext zur Fragestellung gesetzt. Auf diesen theoretischen Grundlagen aufbauend wird eine Analyse des Ist- und eine Darlegung des Sollzustandes anhand der Forderungen der UNO-Behindertenrechtskonvention sowie eine Tour d’Horizon über aktuelle politische Forderungen und laufende politische Prozesse zur Verbesserung der Selbstbestimmung Betroffener vorgenommen. Zudem werden Gegebenheiten des Arbeitsfeldes des agogischen Wohnalltages ausgeleuchtet. Auf dieser Basis wird das vorgeschlagene Modell aufgebaut. Diesbezüglich werden die in der Sozialen Arbeit im deutschen Sprachraum bereits bekannte Kooperative Prozessgestaltung von Hochuli Freund und Stotz und das im deutschsprachigen Raum bis anhin wenig bekannte Supported Decision Making kombiniert. Kooperative Prozessgestaltung bietet ein theoretisch fundiertes, siebenteiliges Prozessphasenmodell und Supported Decision Making stellt ein praxisorientiertes Instrument zur Strukturierung von selbstbestimmten Entscheidungsfindungsprozessen mit Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen zur Verfügung.

Im Eigenleistungsteil werden Vor- und Nachteile beider Modelle herausgearbeitet, und die Notwendigkeit eines dritten, auf den agogischen Wohnalltag zugeschnittenen Modells wird deutlich gemacht. Aspekte beider Modelle werden sodann zu einem im vorliegenden Arbeitsfeld anwendbaren neuen Modell kombiniert, zusammengeführt und in Bezugnahme auf die theoretische Basis um fehlende Schritte und Faktoren erweitert. Dadurch entsteht ein neues, handlungsleitendes Modell zur Unterstützung von Selbstbestimmungs- und Entscheidungsprozessen von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen im agogischen Wohnalltag. Damit erhalten Fachpersonen der Sozialen Arbeit insbesondere im betreffenden Arbeitsfeld ein Arbeitsinstrument an die Hand, um diese Prozesse zu begleiten und Betroffenen zu assistieren, um schlussendlich ein Mehr an Selbstbestimmung ebendieser zu Erreichen.

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Carmen Tanner, Judith Anna Gurtner
(Selbst-) bestimmt mit kognitiver Beeinträchtigung
Ein Modell zur Förderung von selbstbestimmten Entscheidungsprozessen im agogischen Wohnalltag
Bachelor-Thesis
102 Seiten
2022
10.26038/1438843