Die Einsetzung von Kindesvertretungen bei Unterbringungen von Kindern - Erkenntnisse aus der Praxis der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden
In einem Kindesschutzverfahren von der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) hat das Kind das Recht zu partizipieren. Durch die Einsetzung einer Vertretung des Kindes kann die Partizipation gestärkt werden, indem eine qualifizierte Fachperson in ihrer Rolle als Kindesvertretung den Willen des Kindes erfasst und der Behörde vermittelt, sich im Verfahren für das Kind einsetzt sowie das Kind über die Verfahrensschritte und die diesbezüglichen Möglichkeiten informiert. Wenn die KESB in einem Verfahren prüft, ob ein Kind platziert werden muss und den Eltern ihr Aufenthaltsbestimmungsrecht über das Kind entzogen werden muss (Art. 310 ZGB), ist sie dazu verpflichtet, zu prüfen, ob dem Kind eine Vertretung zur Seite gestellt werden muss (Art. 314abis Abs. 2 ZGB). Der schweizweiten jährlichen Statistik der Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz (KOKES) ist zu entnehmen, dass im Vergleich zur Anzahl behördlicher Unterbringungen von Kindern wenige Kindesvertretungen angeordnet wurden. Es stellt sich deshalb die Frage, was die Gründe dafür sind.
In dieser Arbeit soll den Fragen nachgegangen werden, wie die KESB zum Entscheid gelangen, ob eine Kindesvertretung eingesetzt werden muss, wenn sie die Unterbringung eines Kindes prüfen und wie diese Prüfungspflicht in der Praxis umgesetzt wird. Weiter soll untersucht werden, wie sich das ungleiche Verhältnis zwischen der Anzahl behördlicher Unterbringungen von Kindern und der Anzahl angeordneter Kindsvertretungen erklären lässt und weshalb es diesbezüglich deutliche kantonale Unterschiede gibt. Das Ziel ist es, Empfehlungen zu erarbeiten, welche für die KESB bei der Prüfung der Anordnung einer Kindesvertretung hilfreich sein könnten.
Um die Fragestellungen beantworten zu können, erfolgte eine qualitative Befragung, indem fünf Interviews mit Fachpersonen einer KESB durchgeführt wurden. Anschliessend wurde anhand einer qualitativen Analyse eruiert, wie die einzelnen KESB vorgehen und welche Unterschiede dabei festgestellt werden.
Die Analyse der Interviews ergab, dass das Vorgehen der verschiedenen KESB bei der Prüfung der Anordnung einer Kindesvertretung unterschiedlich ist. Weshalb schweizweit im Vergleich zur Anzahl behördlicher Unterbringungen von Kindern wenig Kindesvertretungen angeordnet werden, konnte nicht abschliessend beantwortet werden, weshalb diesbezüglich Hypothesen formuliert wurden. Den KESB wird empfohlen, die Mitarbeitenden hinsichtlich den Aufragt, die Rolle und den Nutzen der Kindesvertretung zu schulen und zu sensibilisieren, interne Abläufe für diese Prüfung festzulegen, den Mitarbeitenden Hilfsmittel zur Verfügung stellen und nebst der Anordnung einer Kindesvertretung auch einen allfälligen Verzicht in den Akten differenziert zu begründen. Zudem wären konkrete Vorgaben seitens des Kantons oder der Aufsichtsbehörde für die KESB hilfreich.