Kriminalisierungsprozesse von Armutsbetroffenen durch Kontroll-, Sanktionierungs- und Strafmechanismen im Schweizerischen Sozialstaat
Eine Analyse der Auswirkungen von Workfare und Ersatzfreiheitsstrafen auf armutsbetroffene Menschen in der Schweiz und der Rolle der Sozialen Arbeit
In der Schweiz haben Menschen, die in Armut geraten, Anspruch auf sozialstaatliche Unterstützungsleistungen. Der Sozialstaat verpflichtet sich somit, diese Menschen finanziell und materiell zu unterstützen und ihre gesellschaftliche Integration zu fördern. Gleichzeitig setzt Workfare, auch als Aktivierungspolitik bekannt, Verpflichtungen für die Empfänger*innen sozialstaatlicher Unterstützungsleistungen voraus und erwartet von ihnen, dass sie gewisse Gegenleistungen erbringen. Die Nichteinhaltung von Verpflichtungen oder ungenügend bewertete Bereitschaft zur Gegenleistung, kann zu Sanktionsandrohungen führen, auf welche beispielsweise eine Leistungskürzug oder die gänzliche Einstellung der Leistungen folgen können. Die Bestrafung für eine rechtswidrige Handlung mit einer Busse oder Geldstrafe kann alle juristisch erfassbaren Personen treffen. Sie trifft aber besonders diese Menschen hart, welche nicht über genügend finanzielle Ressourcen verfügen, um den Betrag innerhalb der gegebenen Frist zu begleichen. Wenn die Geldschuld nicht durch Eigentum oder Besitz eingetrieben werden kann, wird der offene Geldbetrag in eine Ersatzfreiheitsstrafe umgewandelt. Ersatzfreiheitsstrafen treffen dadurch insbesondere Menschen mit wenig finanziellen Mitteln. In der Schweiz erfolgt ungefähr die Hälfte aller jährlichen Haftantritte aufgrund von nicht beglichenen Bussen oder Geldstrafen.
Die vorliegende Bachelor-Thesis untersucht die Auswirkungen von Workfare und Ersatzfreiheitsstrafen auf armutsbetroffene Menschen in der Schweiz. Sie analysiert literarisch, wie der Schweizerische Sozi-alstaat in der Bekämpfung von Armut, Kontroll- Sanktionierungs- und Strafmechanismen anwendet und welche Implikationen sich daraus für die Soziale Arbeit ergeben. Die Fragestellung richtet sich darauf aus, wie Armutsbetroffene durch staatliche Massnahmen wie Workfare und der Ersatzfreiheitsstrafe kriminalisiert werden.
Die Arbeit beginnt mit einer Auseinandersetzung mit der Definition und den Ursachen von Armut, um anschliessend den sozialstaatlichen Umgang mit Armutsbetroffenen im Rahmen von Workfare zu beleuchten. Dabei werden die Erwartungen und Pflichten an Sozialhilfeempfangende und die zu deren Durchsetzung angewendeten Kontroll- und Sanktionierungsmechanismen untersucht. Weiter beschäftigen wir uns mit dem Zusammenhang von Armut und Kriminalität, um durch wissenschaftliche Befunde, die Funktion des sozialen Ausschlusses durch Kriminalisierungsprozesse aufzuzeigen. Durch die Einbettung in historische, gesellschaftliche, ökonomische, rechtliche und politische Kontexte wird die Funktion und Rolle der Sozialen Arbeit in der Armutsbekämpfung aber auch in der Kriminalisierung von Armut verdeutlicht. Daraus werden Erkenntnisse für die Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession abgeleitet und es wird aufgezeigt, wie sie die soziale Teilhabe aller ermöglichen und dazu beitragen kann, Armut auf verschiedenen Ebenen zu bekämpfen.